Tour des Stations 2022 – Ultrafondo Everest

Erfahrungsbericht von Martin Neff

Die Tour des Stations im Unterwallis bietet mit dem Ultrafondo Everest eine der wenige Möglichkeiten an einem Tag ein Everesting im Rahmen eines Rennens zu machen. Zudem habe ich als Ostschweizer diese Region noch kaum gekannt und mich angemeldet.

Morgens um 4 Uhr hat der Tour-Teufel Didi Senft 534 Fahrer und Fahrerinnen auf die Reise geschickt. Wird es eine Fahrt durch die Hölle? Der erste Berg (Col du Lein) wird rauf und runter im Dunkeln absolviert. Ein spezielles Gefühl stellt sich ein, wenn man die Lichterkette vor und hinter einem sieht, die Kühle der Nacht langsam durch die Wärme der Muskeln vertrieben wird und die Abfahrt bei teilweise feuchten Strassen mit Vorsicht gefahren wird.

Mit dem Aufstieg nach Ovronnaz ist dann auch die Sonne aufgegangen. Eigentlich ist das einer der härtesten Anstiege des Tages, aber da er noch früh im Rennen ist, konnte ich die steilen Rampen mit gutem Zug nehmen. So bin ich den Berg schneller gefahren als bei der Proberunde mit Cyril im 2021, aber langsamer als die meisten, welche in der Rangliste am Ende ähnlich schnell waren.

Wenn es soviel rauf geht, geht es auch viel runter.

Über Mayens-de-la-Zour, Anzère und den Col de Crans-Montana ging es weiter auf der linken Talseite das Rhonetal rauf. Vielfach auf lauschigen Wegen durch Wälder, Restnebel und Alpweiden, andererseits aber auch durch die Skistationen mit hässlichen und/oder mondänen Hotelbauten. Die letzte Highspeed-Abfahrt bringt die Fahrer zurück ins Haupttal zur Überquerung der Rhone in Chippis. Die Hälfte ist gemacht, mir läuft es gut – ich fahre deutlich vor meiner Marschtabelle. Im Aufstieg nach Vercorin bin ich länger alleine unterwegs. Das Rennen hat sich weit auseinandergezogen.

Der Abschnitt von Vercorin bis nach Hérémence hat einen deutlich anderen Charakter als die langen Anstiege vom Vormittag. Es ist eine ständiges Auf und Ab, mit immer wieder neuen Aussichten. Erstaunlicherweise wird hier weit über 1000m Korn angebaut, was passend zur Mittagswärme ist. Da in der Zwischenzeit auch die Teilnehmer des Granfondo auf der gleichen Strecke unterwegs sind,  gibt’s sogar wieder mal etwas Windschatten zum Reinhängen.

Kurz vor der Skistation Thyon, wo Geraint Thomas vor Kälte vom Velo gefallen ist.

Ab Hérémence beginnt der lange Anstieg nach Thyon und damit erstmals auf über 2000m. Noch immer ist der Rhythmus gut und ich kann  viele überholen, was auch gut für den Kopf ist. Denn langsam spürt der Körper die Strapazen.

In der schnellen Abfahrt von Thyon kann der Körper zwar etwas durchschnaufen, aber der Kopf muss bei Tempos über 70 bei der Sache sein.

Über Veysonnaz und Nendaz geht es an den Fuss der letzten Steigung. Im 2021 haben wir die Probefahrt hier abgebrochen. Manchmal ist es gut, wenn man nicht alles weiss! Der berüchtigte Forêt verte besteht aus einer längeren Gravelpassage mit ca. 10% Steigung, so ein Waldweg halt. In der Mitte des Abschnitts ist der Weg dann geteert, weil es da zwischenzeitlich mal über 20% steil wird:

Schaut immerhin noch besser aus, als zu Fuss zu gehen.

Nach diesem Einstieg ist der Rest bis zum Col de la Croix de Coeur zwar nicht mehr so heftig, aber von den vielen Körnern sind nur noch wenige übrig – kein Einbruch, aber auch keine Schlussoffensive.

Zieleinfahrt über den roten Teppich

Geschafft! Und wenig (4 Minuten) hat gefehlt für den Kategoriensieg, wobei die ersten 4 der Alterskategorie innerhalb ein Viertelstunde eingefahren sind, also fast schon ein Photofinish.

Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat und mit dem Verlauf. Eigentlich ist fast alles so gelaufen wie geplant. Da ich etwas langsamer gestartet bin als andere, habe ich weniger schnell abgebaut und konnte so den letzten Berg immer noch im guten Tempo fahren.

Statistik

  • Tour des Stations 2022: 242km / 8848hm
    Ultrafondo – Men : 33. in 12h20’39’’ mit 2h44’44’’ Rückstand, bei 508 Startern und 363 Klassierten
    Ultrafondo – Men 50-59: 2. Mit 0h03’25’’ Rückstand, bei 103 Startern und 66 Klassierten

Zur ‘aktiven’ Erholung und weil ich den Pass noch nie gefahren bin (einer der Pässe über 2000m in der Schweiz) und weil es mich interessiert, ob das überhaupt geht, bin ich am Tag darauf den Col du Sanetsch gefahren. Da der Pass nicht durchgehend ist (zumindest für Autos) hat er wenig Verkehr und führt durch eine wunderbare Landschaft. Trotz der schweren Beine war es ein Genuss, im Gegensatz zum Vortag. Das haben auch andere Masochisten entdeckt:

Aussicht vom Col du Sanetsch Richtung Süden

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